Als Naturfotograf hat man es oft nicht leicht. Möchtest du Haarwild wie etwa Fuchs, Reh, Wildshwein o.ä. fotografieren, ergeben sich die besten Chancen auf eine Begegnung mit den Tieren zur Morgen- oder Abenddämmerung. Denn dann sind diese am aktivsten und kommen aus ihren Deckungen. Blöderweise ist das aber auch die Tageszeit, zu der wir kaum gute Lichtverhältnisse vorfinden. Und das kann es uns ganz schön schwer machen. Muss es aber nicht! Mit diesen Tipps schaffst du es trotz schwieriger Lichtbedingungen gute Fotos zu schießen.
Blende auf!
Wenig Licht? Blende auf! Fotografiere mit der größtmöglichen Blendenöffnung, sodass möglichst viel Licht auf den Sensor fällt. Auch wenn manche Objektive bei Offenschärfe nicht ganz scharf sind, sondern ihre volle Abbildungsleistung erst erreichen, wenn man ein- oder zweimal abblndet: An diesem Punkt lieber etwas auf das letzte Quäntchen Schärfe verzichten (natürlich in Abhängigkeit von dem jeweils verwendeten Objektiv), als Verwackelungsunschärfe durch zu lange Belichtung in Kauf zu nehmen.
Teleobjektive mit einer Blende von f/2.8 haben dabei ganz klar die Nase vorne und erleichtern das Arbeiten bei schlechten Lichtverhältnissen. Aber nicht jeder kann sich den Luxus eines lichtstarken Teleobjektives leisten. Denn diese kosten ein (kleines) Vermögen. Somit müssen sich viele mit Teleobjektiven begnügen, die mit einer Offenblende von f/5.6 oder höher daherkommen. Da hier entsprechend weniger Licht den Sensor erreicht, müssen wir noch an ein paar anderen Stellschrauben drehen
Die richtige ISO-Empfindlichkeit wählen
Ein großer Vorteil, den wir heute in der Naturfotografie haben, sind die nie dagewesenen ISO-Leistungen und beeindruckend großen Dynamik-Umfänge moderner Sensoren. Vereinfacht gesagt umfasst der Dynamik-Umfang den Bereich zwischen reinem Schwarz und reinem Weiß. Wenn dieser Bereich besonders groß ist, hat man hinterher größere Reserven in der Bearbeitung der RAW-Dateien am PC. So können dunkle Bildstellen eher aufgehellt werden, ohne dabei großes Rauschen zu verursachen.
Eine pauschale Empfehlung für die beste ISO-Einstellung lässt sich kaum geben. Je nach Hersteller, Sensorgröße oder Sensorgeneration werden hier sehr unterschiedliche Ergenisse erzielt. Manche Kameras liefern bei höheren ISOs eine schwache Leistung ab, was zu sehr verrauschten Bildern führt, während andere sich besser schlagen.
Lerne die Limits deines Kamerasensors kennen und experimentiere mit den Werten, bis du die für dich obere ISO-Grenze ausfindig gemacht hast. Diese kann selbst mit der gleichen Kamera bei verschiedenen Personen je nach persönlichem Geschmack ganz anders liegen.
Wenn du den ISO-Wert niedrig hälst, wirst du bei schlechten Lichtbedingungen wahrscheinlich zu lange Verschlusszeiten haben, was unscharfe Bilder zur Folge haben kann. Daher kann es sich lohnen mutig zu sein, den ISO-Wert zu erhöhen und mit dem Rauschen zu leben. Zumindest hast du dann ein einigermaßen verwendbares Foto.
Kreative Belichtungszeit
Wenn du weder über eine Kamera mit großen Dynamik-Umfang oder eine lichtstarke Telebrennweite verfügst, heißt es: Mut zur langen Belichtungszeit!
Was dabei immer hilft: Ein Stativ. Egal ob Dreibein, Einbein oder gar ein Bohnensack. Wenn es die Situation zulässt, setze es unbedingt ein. Es reduziert Verwackelungen und ermöglicht so längere Belichtungszeiten. Auch ein Bildstabilisator, der heute bei den meisten Objektiven verbaut wird, kann zu längeren Belichtungszeiten beitragen. Doch Vorsicht: In Verbindung mit einem Stativ kann ein Bildstabilisator sogar Verwackelungen verursachen. Der Stabilisator versucht dann nämlich Bewegungen auszugleichen, die gar nicht da sind.
Noch vor modernen Bildstabilisatoren und Hochleistungssensoren galt die Faustregel: Die minimale Belichtungszeit, bei der man die Kamera ohne zu verwackeln ruhig halten kann, ergibt sich aus dem Kehrwert der Brennweite. Bei einem 300 mm Objektiv also 1/300 s.
Wenn du jetzt genannte Faktoren wie Stativ oder Bildstabilisator einsetzt, kannst du diesen Wert natürlich zu deinen Gunsten verändern. Bewegt sich das Wildtier nicht sonderlich schnell, kann man es mit Stativ schon mal mit Verschlusszeiten von nur 1/60 s oder länger versuchen. Nimm in solchen Situationen aber immer eine Serie von Fotos auf. So steigen die Chancen, dass wenigstens eines deiner Bilder den Umständen entsprechend scharf ist.
Das nachfolgende Foto habe ich mit mittelmäßiger Ausrüstung in der Morgendämmerung aus dem Auto heraus aufgenommen. Belichtungszeit betrug hier 1/40 Sek. bei 600mm, Blende f/6,3 (Offenblende) und ISO 500. Als Stativ habe ich einen Bohnensack verwendet.
Sicherlich kein großartiges Foto, aber es verdeutlicht, wie mit den aufgezeigten Stellschrauben eine – der unvorteilhaften Lichtsituation entsprechend – technisch einigermaßen saubere Aufnahme enstehen kann. Fun Fact: In dem Bild kannst du sogar zwei Rehe entdecken 🙂
Dass man mit langen Belichtungszeiten sogar kreativ spielen kann, soll das nachfolgende Bild mit der Wasseramsel verdeutlichen. Ganz ungestört hat sich die Wasseramsel auf einem Stein vor meinem Fotoversteck niedergelassen und saß dort recht ruhig. Ich habe die Blende auf f22 geschlossen, um somit eine Belichtungszeit von 1/4 Sek bei 600mm zu erreichen. Durch die nur minimale Bewegung der Amsel erscheint diese einigermaßen scharf, während das umfließende Wasser durch die lange Belichtungszeit an Dynamik gewinnt.
Und selbst bei Tieren die sich rasend schnell bewegen kann man mit langen Belichtungszeiten kreative Ergebnisse erzielen. Hier ist mir ein Feldhase in der Morgendämmerung vor das Objektiv gelaufen. Durch eine Belichtungszeit von 1/5 s bei f7.1 und ISO 2.000 gibt das verschwommene Bild die Geschwindigkeit und Dynamik des sprintenden Hasen wider.
Wenn du bisher viel Zeit damit verbracht hast, Fotos unter „guten“ Lichtbedingungen zu machen, dann bist du wahrscheinlich an schnelle Verschlusszeiten gewöhnt. Aber das ist nicht immer notwendig. Die Fotos können auch fernab von Belichtungszeiten mit 1/1000 s brauchbare und kreative Ergebnisse liefern.
Zoomobjektive ausnutzen
Wer ein Zoomobjektiv mit einer über den Brennweitenbereich hinweg eine unterschiedliche Offenblende sein eigen nennt, kann dies für sich nutzen.
Das Tamron 70-300 in etwa verfügt am untere Ende bei 70 mm über eine Offenblende von f4 und bei 300 mm über eine Offenblende von f5.6. Indem du nicht mit den vollen 300 mm fotografierst, sondern etwas rauszoomst und so eine andere Blendenstufe gewinnst, kannst du wieder einen kleinen Vorteil gewinnen. Zudem sind viele Zoomobjektive am langen Ende nicht ganz so scharf.
Dadurch verlierst du zwar Brennweite, durch die gewonnene Schärfe kannst du dies aber bei der Bildbearbeitung durch entsprechendes zuschneiden in solch schwierigen Fällen ausgleichen.
Nimm viele Fotos auf
Nachdem du die für deine Gegebenheiten richtigen Einstellungen getroffen hast, stelle noch sicher dass du den Serienbildmodus aktiviert hast. Sobald du den Auslöser drückst (und gedrückt hälst) nimmt die Kamera gleich mehrere Bilder auf und die Chancen auf ein scharfes Bild aus der Serie steigen.
Belichte deine Fotos nicht unter
Unter suboptimalen Lichtbedingungen ist es sicherlich verlockend das Bild unterzubelichten, um so die Verschlusszeit kürzer halten zu können. Möchtest du jedoch hinterher dieser Unterbelichtung am PC mit dem Belichtungs-Regler entgegenwirken, führt dies zusammen mit einer bereits hohen ISO-Empfindlichkeit dazu, dass das Foto vor allem in den dunklen Bildbereichen stark zu rauschen beginnt.
Wenn die Bedingungen zum fotografieren schlecht sind, musst du mutig sein. Wähle eine längere Belichtungszeit, wähle bei Zoomobjektiven eine kürzere Brennweite oder bringe die ISO-Einstellung deiner Kamera an die Grenze. Denn wenn ein Foto von Beginn an unterbelichtet ist, kann es in der nachträglichen Bearbeitung am PC gänzlich ruiniert werden.
Realistische Erwartungen & Raus Jetzt!
Manchmal kann man einfach selbst mit der besten Ausrüstung nicht ausreichend Licht auf den Sensor bannen. Habe immer realistische Erwartungen an dich und deine Fotos sei dir dem Umstand bewusst, dass es durchaus Lichtsituationen gibt, die nie zu einem guten Ergebnis führen können.
Und dann geh aber trotzdem raus. Jetzt. Nimm deine Kamera in die Hand, auch wenn es draußen gerade düster und ungemütlich ist. Denn nichts auf der Welt kann Erfahrung ersetzen. Und sobald das Licht dann passt, kannst du dann mit deiner gesammelten Erfahrung dein perfektes Bild machen.