Wenn in der tiefsten Nacht aus allen Ecken plötzlich Scheinwerferlichter über die Landschaft der Langen Rhön streifen, hat das meist nur einen Grund: Die Wildland-Stiftung Bayern hat zur Birkhuhnzählung geladen. Schon in meiner Kindheit habe ich meinen Vater zu diesem Naturschauspiel begleitet. Und auch dieses Frühjahr lies sich der Termin mit meinem Kalender vereinbaren. Zumindest in Teilen.
Teilnehmen kann ich auch in diesem Jahr nicht an der vorabendlichen Besprechung. Hier erhalten die Zähler ihre Einweisungen für die rund 100 Zählplätze sowie letzte Informationen zu Wettervorhersage, aktuellen Sichtungen uvm. Denn ich verbringe den Freitagnachmittag auf der Autobahn. Die Anreise aus Stuttgart unterbreche ich mit einem Zwischenstopp zu Hause bei meinen Eltern um dort ein paar Stunden Schlaf zu erhaschen, während mein Vater die (halbe) Nacht campenderweise vor Ort verbringt.
Für mich endet der Schlaf entsprechend bereits um 2:00 Uhr, denn mir steht noch eine einstündige Fahrt in das Zählgebiet bevor. Pünktlich um halb vier reihe ich mich dann ein in den Mix aus Nachtankömmlingen und Draußenschläfern. Begrüßt werde ich von Berichten über Waldohreulen und einem einmaligen Blick auf die Milchstraße. Ein wolkenloser Himmel! Laut den Informationen vom Vorabend soll dieser am frühen Morgen zuziehen und im Laufe des Tages Regen bringen.
Wir brechen auf und nehmen pünktlich vor 4:00 Uhr unseren Zählplatz mit dem Auto ein, eine spätere Ankunft gilt es aus Rücksicht auf die Tierwelt dringend zu vermeiden. Ein außergewöhnlicher Beobachtungsposten: Denn parken darf man in diesem Gebiet der Hochrhön sonst keinesfalls. Lediglich die ausgeschilderten Wanderparkplätze dürfen genutzt werden.
Los geht’s! Die Zählung beginnt
Nun beginnt das Warten und der Kampf gegen die Müdigkeit. Diese ist schlagartig verflogen, als gegen 5 Uhr der Ruf der Bekassinen durch die Dunkelheit hallt. Es folgen spannende Beobachtungsstunden, ehe wir um 8 Uhr wieder den Zählplatz verlassen. Fuchs, Reh und Hase, Steinschmätzer, Wiesenpieper und Baumpieper und viele weitere Arten werden wir an diesem Morgen in die Zählliste eintragen. Nur das Birkwild bleibt uns auch dieses Jahr verwehrt.
Zwar konnten wir ein leises Gurren und Gluckern ausmachen, aber das kann der Wind auch gerne mal über längere Strecken über die Weite der Landschaft tragen. Allerdings war das Birkhuhn wohl näher als wir in diesem Moment ahnten, wie wir hinterher erfahren: Ein Zählplatz in unmittelbarer Nachbarschaft hat tatsächlich Birkwild gesichtet. Da wir das letzte Birkwild an unserem Zählplatz im Jahr 2009 vermelden konnten (1 Hahn, 3 Hennen), macht dies doch Hoffnung auf die anstehende Birkhuhnzählung im Herbst!
Die Beobachtung vom Birkhuhn ist für uns bei dieser Zählung allerdings nicht alles, selbst wenn dies der Name Birkhuhnzählung im ersten Moment fälschlicherweise vermuten lässt 😉 Der Schutz dieser Art steht an erster Stelle. Denn während etwa bei der Herbstzählung 2002 noch 42 Hähne und 25 Hennen gezählt wurden, waren es im Herbst 2008 lediglich 6 Hähne und 6 Hennen. Ein dramatischer Rückgang und ein für die weitere Existenz dieser Art bedrohlicher Tiefstand.
Schutzmaßnahmen für das Überleben des Birkhuhns
Das Birkwildmonitoring existiert übrigens bereits seit 1963. Ende der 1960er wurden noch 300 Exemplare gezählt, etwa 10 Jahre später bereits besorgniserregende Bestandsrückgänge vermeldet. Seitdem wird die Birkhuhnzählung jährlich nach standadisierter Methode durchgeführt.
Zudem werden weitere zahlreiche Maßnahmen zum Erhalt dieser letzten außeralpinen Population von Birkwild im süddeutschen Raum umgesetzt. Der Gebietsbetreuer Torsten Kirchner sowie Berufsjäger Christian Lintow kümmern sich etwa um Biotoppflege oder machen revierübergreifende (Fang-)Jagd auf Fressfeinde wie Fuchs und Marder. Auch die Lenkung von Besucherströmen gehört zu den Aufgaben, damit diese nicht durch das Habitat des empfindlichen Vogels wandern.
Eine besonderes Schutzprojekt startete im Jahr 2007. Über 5 Jahre hinweg wurden schwedische Tiere in der Rhön (besendert) ausgewildert, um den Genpool anzureichern und so einem Aussterben der Art entgegenzuwirken. Rettung in allerletzter Sekunde: Ohne dieses Projekt wäre das Birkhuhn in der Rhön heute wohl ausgestorben.
Zum Abschluss geht es zum gemeinschaftlichen Frühstück in den Holzberghof. Dort kann sich bei Kaffee (den ich jetzt bitter nötig habe!) und reichhaltigen Frühstücksbuffet gestärkt werden. Wir helfen noch bei der Auszählung der Begleitarten und kommen auf insgesamt 84 Arten, davon 32 Rote-Liste Arten.
Beim Birkwild stehen als Endergebnis 12 Birkhähne und 8 Birkhennen. Bei der vorherigen Zählung im Herbst 2014 waren es 14 Hähne und 11 Hennen, die Winterverluste hielten sich also in Grenzen.
Hallo Bernd,
das ist mal eine coole Sache, vor allem aber echt wichtig! Ich hätte mich ja schon allein über den Ruf der Bekassine wahnsinnig gefreut. Vielleicht solltest Du mal was allgemein über Vogelschutz und/oder über Hauskatzen und Vögel schreiben. Ich finde Vogel- und Naturschutz beginnt im ganz Kleinen. Es fängt dabei an, Hunde an die Leine zu nehmen und abgesperrte Brutgebiete auch wirklich nicht zu betreten.
Fazit: Tolle Sache, toller Text! Freu mich auf mehr von Dir!
Alles Liebe und Glück Auf, Tine
Vielen Dank für den Input, das freut mich wirklich sehr! Ich glaube zu der schönen Idee werde ich tatsächlich mal etwas schreiben.