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Von wegen früher Vogel und so

Als um 04:00 Uhr der Wecker klingelt fluche ich leise. Ich vermute zwar, dass ich dafür heute noch entschädigt werde, im Moment würde ich aber lieber gepflegt ausschlafen. Es liegen 3 Stunden Fahrt vor uns, deshalb haben wir als Treffpunkt 05:00 Uhr an einem P+R Parkplatz in unmittelbarer Autobahnnähe vereinbart. Clever wie ich (ausnahmsweise) war, habe ich bereits am Vorabend alles rausgesucht und zurechtgelegt. Innerlich gebe ich mir dafür jetzt ein High-Five. Lediglich beim binden meiner Schnürsenkel ist meine Aufmerksamkeit kurz gefordert. Morgenwäsche, Frühstück und das Anlegen der Wandergaderobe erledige ich im HalbDreiviertelschlaf.

Am Morgen

Es ist Freitag, der 03. Oktober. Ein verlängertes Wochenende liegt vor uns. Mit Doro und Moritz von being vertical wollen wir einen Tagesausflug wagen und unseren letzten Klettersteig der Saison gehen. Schon länger hatten wir diesen Termin gemeinsam fixiert. Dass die Wettervorhersage für heute Traumbedinungen verspricht und unser Steig durch die Gauablickhöhle nach vorheriger telefonischer Nachfrage beim örtlichen Tourismusverband noch begehbar ist, ist reine Glückssache.

Als wir dann in aller Herrgottsfrüh vereint in Richtung Süden rollen zeichnet sich ab, was wir befürchtet hatten: Nicht nur wir haben die Wettervorhersage gesehen. Camper, Wohnwägen, auf Autodächer geschnallte Fahrräder. Alles was sich irgendwie für einen Kurzurlaub als nützlich erweisen kann wird mobilisiert und ist noch vor Sonnenaufgang unterwegs. Es könnten schließlich die möglicherweise letzten schneefreien Tage bei absolutem Traumherbstwetter in den Alpen vor uns liegen.

Drei Zinnen

Von Traumherbstwetter ist allerdings erst mal nichts zu sehen, als es langsam dämmert. Das ist doch Hochnebel! Klar, es regnet nicht. In den Alpen liegt kein Schnee. Mit einem Unwetter ist auch nicht zu rechnen. Aber meckern auf hohem Niveau: Da steig ich ein. Immerhin wurde Sonne pur propagiert und Hochnebel habe ich im Bestellformular für den perfekten Klettersteigtag definitiv nirgends nicht angekreuzt.

Tourstart

Das scheint dann aber doch in der Wetterauslieferungsabteilung angekommen zu sein. Als wir unser Auto in Latschau am Stausee abstellen scheint die Sonne! Wir schlüpfen in unsere Wanderstiefel, satteln die Rucksäcke, wagen gegen 08:15 Uhr unsere ersten Schritte und verlassen den Ort in Richtung Süden. Mit einem herrlichen Blick auf die „Drei Türme“ geht es im goldenen Herbstlicht auf ebenen Forstwegen in Richtung unseres ersten Zwischenziels: Die Lindauer Hütte. Dort kommen wir gegen 10 Uhr an und sichern uns erst mal einen Platz in der Sonne. Zeit für eine Frühstückspause! Immerhin bin ich inzwischen seit 6 Stunden auf den Beinen 😉

Aufstieg

Gestärkt führt uns der Weg von der Lindauer Hütte westwärts weiter, ehe kurze Zeit später an einem Wegweiser die Gauablickhöhle angeschrieben ist. Und ab hier wird es ein wenig fies. In südliche Richtung folgend geht es ab sofort knackig nach oben. Teilweise artet der Weg sogar in leichte Kletterei aus. Alles noch im Rahmen, aber so langsam tickt er in meinem Hinterkopf. Der Rückweg. Denn der geht exakt hier entlang. Und wir haben noch einen Klettersteig vor uns. Ich bin gewarnt: Kräfte einteilen.

Drei Zinnen

Ob es hier Raufußhühner gibt, frage ich mich noch. Schneehühner vielleicht. Oder Auerwild. Birkwild? Die Vegetation hier oben wäre ideal und würde ausreichend Deckung bieten. 15 Minuten später: 3 bis 4 Meter direkt vor mir fliegt plötzlich aus einer mit Gras bewachsenen Mulde ein hühnerähnlicher Vogel. Wie ich erschrecke, als ich gedankenversunken dahin stapfe! Leider geht alles zu schnell. Schwarz war er, da bin ich mir sicher. Ein Auerhahn! Oder ein Birkhahn! Birkhühner durfte ich in der Rhön schon bewundern. Ein Auerhahn in freier Wildbahn wäre eine Premiere für mich.

Am Einstieg

Aufstieg

Es zieht sich, bis wir endlich den Einstieg zum Klettersteig erreichen. Das war tatsächlich ein kleiner Kraftakt. Das positive daran: Hier oben sind trotz Traumwetter und verlängertem Wochenende nur wenige Aspiranten vor uns. Lediglich 3 Gruppen sind bereits in den Steig gegangen. An leichter zugänglichen Routen wie etwa dem Hindelnager ist heute sicherlich mehr Verkehr.  Wir legen unsere Kletterausrüstung an und steigen ein.

SunnyBAG LEAF

Der erste Abschnitt ist recht plattig, ehe wir bereits kurze Zeit später über einige Tritte den Höhleneingang erreichen. Wir knipsen unsere Stirnlampen an und dringen in die 350 Meter lange Höhle ein. Etwa auf der Hälfte passieren wir einen abgesperrten Teil. Ich trete näher an die Absperrung heran und erspähe dahinter einen gähnenden Abgrund. Lieber nicht näher gehen.

Tiefenspektakel in der Höhle

Just in dem Moment holt uns ein Bergführer ein. Er sei hier, um den Steig in Stand zu halten und ein paar Dinge zu reparieren. Und hinter der Absperrung gehe es 1.100 Meter senkrecht nach unten, erfahren wir. Mit einigen weiteren Stollen zur Seite weg und Eis am Boden. 1,1 Kilometer! Ich bin beeindruckt. Es gibt wohl tatsächlich auch waghalsige Höhlenforscher, die sich dort abseilen.

Ob der Steig denn zum Winter hin abgebaut wird, möchte ich noch wissen: Er ist das ganze Jahr begehbar. Im Winter auf Grund der Lawinengefahr aber absolut kein Spaziergang. Da muss man tatsächlich wissen was man tut… Ich hatte es eh nicht vor.

Die Schlüsselstelle und der großartige Rest

Am Höhlenausgang lädt rechts eine kleine Bank zur Rast ein, links geht der Steig weiter. Kurz darauf die Schlüsselstelle: Ein kleiner Überhang, etwa 3-4 Meter lang, Schwierigkeit C. Für mich persönlich keine übermäßige Herausforderungen, ich habe schon forderndere und ausgesetztere C-Stellen überwunden. Kurz danach bietet ein Notausstieg die Möglichkeit die Tour zu beenden.

Danach ist mir aber gar nicht zumute. Es ist der letzte Klettersteig für dieses Jahr, die Bedingungen sind traumhaft, das Panorama zum niederknien. Mit diesem Bewusstsein steige ich weiter, die Zeit vergeht wie im Flug. Abwechslungsreiche Stellen, die gut gesichert und mit vorbildlichen Tritten versehen sind, bringen uns dann schlussendlich und unvermeidbar aber doch an den Ausstieg. Es ist 14:15 Uhr als wir unsere Freudenschreie in die Berge stellen. Wir gönnen uns eine ausführliche Pause, denn wir sind uns dessen bewusst. Was jetzt folgt, wird kein Sonntagsspaziergang: Der Abstieg.

Panorama

Über den sogenannten Rachen wird uns der Berg wieder freigeben. Aber hier kann man nicht einfach so rausspazieren. Die ersten Meter des Abstiegs in Richtung Südwest sind so steil, dass wir teilweise auf dem Hosenboden unterwegs sind. Nach einigen Metern wird es besser und wir können Serpentinen gehen. Ich wünsche mir noch meine Wanderstöcke herbei, als es blöderweise doch passiert…

Der Sturz

Mein Weg führt parallel zum Berg, zu meiner linken geht es bergab. Als ich mit meinem linken Fuß aufsetze und mein ganzes Gewicht darauf verlagere, gibt das Geröll nach, ich verliere den Halt, knalle mit meiner Hüfte rechts genau auf eine Steinplatte und rutsche noch ein paar Meter den Hang hinunter. AUTSCH! Der Schmerz rennt durch die Nervenbahnen. Wie ein richtig fieser Schlag beim Fußball. Ich weiß, dass ich kurz warten muss, bis sich der erste Schmerz verzogen hat. Die ersten Aufstehversuche scheitern jedoch kläglich und ich liege noch etwas unbeholfen rum.

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Als ich mich endlich aufrappeln kann, dann erste Schadensaufnahme: Schürfwunden an Bein und Hand, eine schmerzende Hüfte. Wohl sauber geprellt. Aber nix groß zu verarzten. Immerhin kann ich weiterlaufen! Dann zeichnet sich doch noch ein dunkler, nasser Fleck an meiner Hose auf Hüfthöhe ab. Schnell nachgeschaut: Aufgeplatzt. Doro bricht ihr Erste-Hilfe-Set an, die Verletzung wird verarztet und wir können unseren Weg fortsetzen.

Damit sei mal wieder bewiesen, dass der Abstieg nie niemals nie nie zu unterschätzen ist. Und das man immer ein Erste-Hilfe-Set dabei haben muss.

Und der Rest vom Rückweg

Bald danach spuckt uns der Rachen wieder aus. Wir passieren die Einstiegsstelle und bewegen uns damit wieder auf unserem Hinweg. Das letzte steile Teilstück liegt vor uns und wir sind heilfroh als es endlich wieder auf gemäßigten Wegen voran geht. Um 18:15 Uhr erreichen wir das Auto. Das waren 10 Stunden! Davon 4 für den Zustieg, 2 für den Steig und nochmal 4 für den Abstieg. Natürlich alles inklusive Pausen.

Mein Fazit

Die Schwierigkeit bei dieser Tour liegt beim Hin- und Rückweg des Steiges. Dieser ist zum einen sehr lang und kann gerade im oberen Bereich sehr steil werden und so in leichte Kletterei ausarten. Auf Grund des langen Zu- und Abstieges hatten wir an diesem Tag trotz Traumbedingungen allerdings so gut wie keinen Verkehr im Steig. Der Steig an sich ist sehr gut gesichert und mit guten Tritten ausgestattet. Unterm Strich ist es aber eine tolle Tour, die die Mühen durchaus wert ist.