Das Fotografieren von Vögeln im Flug zählt sicherlich zu den spannendsten Disziplinen in der Naturfotografie. Dabei ist es gar nicht so einfach, Flugaufnahmen von Vögeln zu machen. Wie dir künftig technisch und gestalterisch einwandfreie Fotos gelingen, erkläre ich in diesem Artikel: Von rein technischen Aspekten wie der richigen Kameraeinstellung oder Ausrüstung bis hin zum cleveren Vorgehen „im Feld“.
Den richtigen Ort wählen
Wenn du noch wenig Erfahrung mit dem Fotografieren von Vögeln in Flug hast, dann empfiehlt es sich einen Ort mit viel „Flugverkehr“ aufzusuchen. Du findest dort einfach die besten Bedingungen vor um zu üben.
Dies kann z.B. ein Futterhäuschen sein. Meisen, Spatzen & Co. sind allerdings recht flink und in ihrem Flugverhalten oftmals nur schwer zu berechnen. Die Aufahmen können daher schnell unscharf werden.
Besser eignet sich ein daher ein Gewässer mit stets regem Besucheraufkommen. Etwa ein Park mit einem Teich oder ein Badesee außerhalb der Badesaison. Dort sind ein- und auffliegende Gänse, Schwäne, Reiher, Möwen oder Enten ein dankbares Fotoobjekt.
Denn ihre Flugbahnen sind wesentlich ruhiger und berechenbarer. Durch die regelmäßige Anwesenheit der Menschen in ihrem Habitat sind sie zudem weniger scheu als etwa die Kollegen in einem Naturschutzgebiet.
Die passende Ausrüstung
Kamera und Brennweite
Eine DSLR mit einem Teleobjektiv ab 300 mm ist empfehlenswert, wenn du das Objekt der Begierde halbwegs formatfüllend auf den Sensor bannen möchtest. Zum Start genügen da auch ältere Modelle, wie etwa die D5300 von Nikon oder eine Canon 700D. Als Objektiv kann ich für den Anfang das Tamron 70-300 empfehlen, ein echtes Preis-Leistungs-Monster.
Freihand oder Stativ
Viele Naturfotografen schwören hier auf ein Dreibeinstativ mit einem Gimbal Head. Ich bin hier etwas anderer Meinung: Wer ohne Stativ unterwegs ist, macht die besseren Fotos. Pixel-Peeping-Fanatiker, die die Schärfe im letzten Pixel des Fotos suchen, werden jetzt aufschreien.
Aber meiner Ansicht nach bist du flexibler und freier in deinen Bewegungen, wenn du Freihand ohne sperrigem Stativ fotografierst. Du kannst dich so schneller auf sich ändernde Situationen einstellen und vielleicht das eine entscheidende Foto mehr machen, welches du mit Stativ nicht bekommen hättest.
Moderne Objektive haben zudem meist einen Bildstabilisator verbaut und können dabei helfen, Verwackelungen auszugleichen.
Natürlich gibt es hier auch Grenzen. Wer etwa oben genannte Kombi aus „kleiner“ DSLR mit kompaktem Teleobjektiv mit sich führt, wäre mit einem dicken Stativ völlig overquipped.
Allerdings ist der Fotograf mit der Vollformatkamera und einer angesetzten 600 mm Festbrennweite gut beraten, wenn er ein Stativ dabei hat. So eine Kombi ist einfach unfassbar schwer und über einen längeren Zeitraum kaum zu halten, es sei denn du hast Oberarme wie Tim Wiese.
Manchmal liegt die Wahrheit wie so oft aber auch irgendwo dazwischen: Für meine Kombi aus Nikon D7100 mit dem Tamron 150-600 mm bin ich beispielsweise auch oft mit einem Einbein unterwegs.
Dieses bietet mir genug Flexibilität und gleichzeitig Stabilität. Sobald es die Belichtungszeiten zulassen, kann ich die Kamera vom Stativ lösen und das kleine Einbein im Rucksack verstauen.
Die richtigen Kameraeinstellungen
Es ist sehr wichtig, dass du bereits vorab die Einstellungen deiner Kamera richtig vorgenommen hast. Denn wenn die Flugshow der Vögel erst einmal losgeht und du erst noch die richtigen Kameraeinstellung vornehmen musst, kann es sein, dass dir die besten Szenen entgehen – selbst wenn du deine Kamera im Schlaf einstellen kannst.
Banalerweise besteht die Herausforderung darin, dass die Vögel sich bewegen. Darauf musst du nun achten, wenn du deine Kameraeinstellungen vornimmst.
Der richtige Autofokus
Falls du es noch nicht getan hast: Stelle deinen Autofokus auf automatische Schärfenachführung. Bei Nikon heißt dieser Modus AF-C (Autofocus-Continous), bei Canon AI-Servo.
Solltest du mit AF-S (Autofocus-Single, Nikon) oder One Shot-AF (Canon) fotografieren, passiert sonst folgendes: Du visierst den fliegenden Vogel an, drückst den Auslöser halb durch um scharfzustellen und drückst den Auslöser anschließend ganz durch.
Während diesem kleinen Moment zwischen Scharfstellen und Auslösen ist der Vogel jetzt jedoch – wenn auch nur um einige Zentimeter – weitergeflogen und befindet sich mittlerweile außerhalb des vorher fokussierten Bereiches.
Gute Erfahrungen habe ich in manchen Situationen auch mit dem 3D-Tracking bei Nikon gemacht. Dort folgt der Autofokus-Punkt automatisch dem fliegenden Vogel. Kann besonders bei schnellen Zeitgenossen mit unvorhersehbaren Flugbahnen von Vorteil sein.
Der schmale Grad zwischen ISO, Blende und Belichtungszeit
Wenn wir von idealen Lichtbedingungen ausgehen, würde ich die Kamera auf ungefähr folgende Parameter einstellen:
ISO: 100
Blende: 8
Belichtungszeit: 1/500
Aber wann haben wir in der Natur schon mal ideale Lichtbedingungen?
In der Praxis arbeite ich meist im M-Modus (manueller Modus) meiner Kamera und stelle folgende Werte ein.
ISO
Die ISO steht bei mir meist auf Automatik. Allerdings achte ich darauf, dass der höchste ISO-Wert die realistische ISO-Leistung meines Kamerasensors nicht übersteigt. Dieser Wert ist von Modell zu Modell deutlich unterschiedlich.
Bei meiner Nikon D7100 gehe ich kaum über einen ISO Wert von 1.800. Die Kamera kann zwar viel höhere ISO-Werte liefern, allerdings sind die Bilder dann kaum noch zu gebrauchen.
Blende
Dann wähle je nach Objektiv und vorhandenem Licht eine geeignete Blende. Sollte Blende 8 auf Grund ungünstiger Lichtbedingungen nicht möglich sein, öffne ich die Blende entsprechend etwas.
Hinweis: Lies meinen Artikel über Naturfotografie bei schlechten Lichtverhältnissen. Dort gehe ich tiefer auf dieses spannende Thema ein.
Belichtungszeit
Bleibt noch die Belichtungszeit. Hier gilt die Regel alte Regel: Die Belichtungszeit sollte der Kehrwert der Brennweite sein, dann kannst du die Kamera noch Vewackelungsfrei halten. Bei einem 300 mm Objektiv also eine Belichtung von 1/300, bei 500 mm 1/500 usw.
Moderne Bildstabilisatoren ermöglichen es aber mittlerweile, dass du ein 300 mm Objektiv auch noch mit einer Belichtungszeit von bspw. 1/120 frei halten kannst.
Ist dann noch ein Stativ im Spiel, kann dies die Belichtungszeit natürlich weiter verkürzen.
Jetzt bekommen wir aber folgendes Problem: Je länger die Belichtungszeit ist, desto höher ist das Risiko unscharfe Bilder zu bekommen. Denn so ruhig du die Kamera auch halten kannst, der Vogel bewegt sich ja trotzdem und du riskierst die klassische Bewegungsunschärfe.
Dein Ziel sollte es zu Beginn also sein möglichst kurze Belichtungszeiten zu verwenden, um die Bewegung des Vogels einzufrieren und so eine möglichst hohe Schärfe zu bekommen.
Mit etwas Übung kannst du dir längere Belichtungszeiten aber auch zu Nutze machen und einen Mitzieher als Stilmittel verwenden.
Mitzieher in der Fotografie
Bei einem Mitzieher bringst du Dynamik in deine Aufnahme. Dies gelingt dir, indem du bei etwas längeren Belichtungszeiten der Flugbahn des Vogels exakt folgst. Dadurch wird der Vogel selbst scharf abgebildet, während der Hintergrund verschwimmt.
Klingt erst mal einfach, aber scharfe Abbildungen des Fotos entstehen nur mit Übungung, den richtigen Einstellungen und etwas Glück.
Ein Patentrezept bezüglich der Einstellungen gibt es auch hier leider nicht. In Abhängigkeit von Mitführgeschwindigkeit, Entfernung, Größe des Vogels, Blende, Brennweite usw sind die Einstellungen von Situation zu Situation unterschiedlich. Hier heißt es langsam rantasten.
Du musst natürlich auch darauf achten, dass der Hintergrund passt. Vor einem strukturlosen, blauen Himmel wird sich der Effekt kaum zeigen.
Fange am besten mit größeren Vögeln wie etwa Gänse, Reiher oder Greifvögel an. Deren Flugbahn ist viel ruhiger und somit vorhersehbarer. Während sich das Flugverhalten einer Fledermaus oder eines Mauerseglers meist kaum einschätzen lässt.
Bildkomposition
Schau dir einmal das folgende Foto an.
Unfassbar gutes Foto denkst du dir? Jap, das sehe ich auch so. Jetzt schaue genau hin und überlege, was dieses Foto so besonders macht.
Ein paar Faktoren sind sicherlich entscheidend. Die drei wichtigsten hier sind wohl die Bildgestaltung, das Licht und der Hintergrund.
Bildgestaltung
Die Schleiereule liegt als Fotomotiv ungefähr im oberen linken Drittel des goldenen Schnittes, einer Grundregel in der Bildkomposition.
Ganz wichtig für deine Flugaufnahmen von Vögeln: Lasse den Vögeln immer etwas Platz in Flugrichtung. Setze das Fotomotiv nie direkt an den Rand des Bildes.
Der direkte Vergleich verdeutlicht es noch einmal. Das rechte Bild wirkt viel angenehmer auf den Betrachter.
Licht
Es ist spät am Abend, die Sonne steht tief und kommt von hinten. Dadurch werden die Konturen sowohl von der Schleiereule (die ja für sich schon ein großartiges Fotomotiv ist) als auch der Schilfhalme schön hervorgehoben.
Hintergrund
Die helle, von hinten beleuchtete Schleiereule fliegt perfekt vor dem dunklen Hintergrund. Durch diesen Hell-Dunkel-Kontrast hebt sie sich deutlich ab. Ein guter Hintergrund ist immer wichtig in der Naturfotografie. Am besten in Kombination mit einen Farb- oder (wie hier) Hell-Dunkel-Kontrast.
Das Verhalten der Vögel studieren
Wie eigentlich immer in der Naturfotografie ist es ein enormer Vorteil, das Verhalten von Vögeln zu kennen. Wer etwa die Kommunikation zwischen Graugänsen kurz vor dem Auffliegen kennt, kann sich darauf zuvor optimal einstellen.
Oder nimm die Flugbahn eines Spechtes: Diese sieht meist wellenförmig aus. Achte bei deiner nächsten Begegnung mit einem Specht einmal darauf und überlege, wann in dieser Flugbahn wohl der geeignete Zeitpunkt für eine Aufnahme ist.
Fazit: Raus jetzt!
Du hast es bestimmt bereits gemerkt: Es gibt keine pauschale Einstellung für die Kamera oder die eine Szene für eine Flugaufnahme. Denn wir befinden uns nicht in einem Fotostudio, wo man Ergebnisse unter kontrollierten Bedingungen reproduzieren kann.
Es hilft daher nichts: Gehe raus jetzt, studiere das Verhalten der Vögel und sammle Erfahrungen mit deinen ersten Testaufnahmen.
Jetzt bist du dran
Solltest du noch eine offene Frage zu dem Thema haben, dann gerne ab damit in den Kommentarbereich. Auch deine Erfolge oder Misserfolge und Erfahrungen interessieren mich sehr.